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Rückblick: Tagung "Mehr Konzilien! Oder: Wie die Kirche zur Wahrheit findet"

Am 06.-07. Oktober 2017 veranstalteten die Arbeitsbereiche Kirchenrecht sowie Mittlere und Neuere Kirchengeschichte der Universität Freiburg in Kooperation mit der Katholischen Akademie Freiburg eine Tagung zur Bedeutung von Konziliarität und Synodalität in der Kirche.

 

Am 06.-07. Oktober 2017 veranstalteten die Arbeitsbereiche Kirchenrecht sowie Mittlere und Neuere Kirchengeschichte der Universität Freiburg in Kooperation mit der Katholischen Akademie Freiburg eine Tagung zur Bedeutung von Konziliarität und Synodalität in der Kirche. Anlass der Tagung war das 600-jährige Jubiläum des Konstanzer Konzilsdekretes „Frequens celebratio conciliorum“ („die regelmäßige Feier der Konzilien“): Mit diesem Dekret verfügte das Konzil von Konstanz am 09. Oktober 1417, dass ständig entweder ein Konzil in Gange sei oder das nächste Konzil bereits in Aussicht stehen solle: Das erste Konzil nach fünf, danach ein zweites nach sieben Jahren und schließlich fortwährend alle 10 Jahre sollte ein Konzil stattfinden.


Nach einer Einführung in die Tagung durch Karl-Heinz Braun referierte der Freiburger Mittelalterhistoriker Jürgen Dendorfer über das Konzilsdekret „Frequens“ und seine Aus- und Nachwirkungen: er zeigte, dass Konzilien im Spätmittelalter als das trefflichste Mittel zur Reform gesehen wurden. Wenn das Konstanzer Konzil auch zur Lösung der konkreten Krisensituation des Papstschismas zusammentrat, so sei dennoch darüber hinaus die Kirche des 15. Jahrhunderts von konsequenter Kollegialisierung auf unterschiedlichen Ebenen geprägt gewesen.


Der Kirchenrechtler Georg Bier setzte sich in seinem Vortrag mit der Frage der Rezeption auseinander: Warum Konzilien wirken oder nicht wirken? Er zeigte, dass die Wirkung von Konzilien von den maßgeblichen Akteuren - Papst und Bischöfen - abhängt, während die Rezeption durch das Gottesvolk sich bislang als irrelevant erwiesen habe.


Im Podiumsgespräch zum Thema „Wie finden die Kirchen zur Wahrheit?“ diskutierten die altkatholische Kirchenhistorikerin Angela Berlis (Bern) und der Freiburger Dogmatiker Peter Walter über Synodalität. Für die Altkatholikin Frau Berlis stand dabei die altkirchliche Konziliarität bzw. Synodalität im Vordergrund: es gehe um Positionen, die miteinander ringen und Mehrheiten bekommen. Kirche lebt von Diskussionen und muss als Kirche im Dialog auch streiten, so Frau Berlis – zum Grund des Kircheseins gehöre das Prinzip: was alle angeht, soll von allen besprochen werden.


Peter Walter ging darauf ein, dass Konzilien immer dann stattgefunden haben, wenn es galt, Probleme zu lösen: man war überzeugt, dass im Zusammentreffen von pluralen Meinungen Wahrheit aufscheint. In der römischen Kirche der Neuzeit sei der synodale Gedanke dann aber sehr stark zurückgegangen, teilweise aber auch zurückgedrängt worden. Ganz anders Papst Johannes XXIII., der 1959 für viele überraschend ein neues Konzil einberufen hat, da er gesehen habe, dass der Reformstau in der Kirche kaum alleine zu lösen war. Daher habe der Papst die Bischöfe ins Boot geholt, von denen auch viele das Anliegen aufgenommen und ihre Ortskirche beim Konzil vertreten haben. Entsprechend sieht Walter auch für das Papsttum als Amt der Einheit eine zentrale Aufgabe darin, Diskussionen zu eröffnen statt zu beenden und diejenigen miteinzubeziehen, die eine Sache etwas angeht.


Der zweite Teil der Tagung weitete den Blick auf zwei reformatorische Perspektiven:
Der lutherisch-evangelische Kirchenhistoriker Markus Wriedt (Frankfurt) präsentierte die eher skeptische lutherische Sichtweise auf Synodalität bzw. Konziliarität: Er erinnerte daran, dass nach Martin Luther Konzilien irren können und auch geirrt haben – und Luther deshalb einer synodal verfassten Kirche äußerst kritisch gegenüberstand. Eine Synode dient für Luther zunächst der Problemlösung, während im Zentrum der Wahrheitssuche die Heilige Schrift und damit die Schriftkenntnis steht. In der heutigen evangelischen Kirche liegen nach Wriedt die Chancen einer synodalen Kirchenverfassung in der kirchenpraktischen Umsetzung. Wo dabei jedoch der individuelle Ansatz des Evangelischen formaljuristisch überboten werde, entstünden Situationen, die kommunikative Machtverhältnisse widerspiegeln, aber nicht die biblische Lehre – darin sieht Wriedt auch die Gefahr von Synodalität.


Der Kirchenhistoriker Albert de Lange (Karlsruhe) brachte sodann eine reformierte Perspektive ein. Für den calivinistisch-reformierten Niederländer ist das charakteristische an der Kirche die Synode: Kirche bedeutet Synode. Die synodal-presbyteriale Struktur, die typisch für das Reformiertentum wurde, entwickelte sich in den calvinistischen Gemeinden, die in Frankreich, den Niederlanden, aber auch in Schottland zunächst in der Illegalität leben mussten. Dieses System, das aus der Not geboren wurde, wird dann jedoch mehr und mehr biblisch-theologisch begründet und legitimiert und gehört zum Bekenntnis.


Barbara Henze (Freiburg) ging in ihrem Vortrag über die Erste Ökumenische Versammlung in Basel 1989 zunächst auf das antike Rechtsprinzip Kaiser Justinians ein: „quod omnes tangit, ab omnibus tractari et approbari debet“ – was alle angeht, muss von allen behandelt und gebilligt werden. Dieser alte Rechssatz komme in der Gegenwart zu der Forderung, synodale Beteiligung auf allen Ebenen zu schaffen: Zu klären sei dabei, wen jeweils eine Sache etwas angeht und wie durch eine richtige Repräsentation auch die Anliegen aller, die es etwas angeht, eingebracht werden könnten. So konnte das Schlussdokument der Basler Ökumenischen Versammlung feststellen, dass es aus einem noch nie dagewesenen Konsultations- und Partizipationsprozess in den europäischen Kirchen erwachsen ist.


Ulrich Ruh (Freiburg) lenkte schließlich mit seinem Vortrag den Blick auf Papst Franziskus und was dieser unter Synodalität versteht. Dass Franziskus als Papst vieles in Bewegung gebracht hat und Diskussionen ausgelöst hat, zeige sich auch beim Thema Synodalität: So hat Franziskus nach Ruh kein ausgefeiltes Konzept für Synodalität entwickelt, auch sei das Thema nicht so zentral wie das Gehen der Kirche an die Ränder. Dass Synoden für ihn dennoch wichtig sind, zeige sich aber an den Bischofssynoden. An der Familiensynode 2014/15 werde dreierlei Bemerkenswertes deutlich: (1) die Befragung des Gottesvolkes im Vorfeld der Synode, (2) die Abstimmungsergebnisse über die Kapitel wurden im einzelnen veröffentlicht, damit hat der Papst zugelassen, dass Unterschiede im Weltepiskopat klar sichtbar wurden und schließlich (3) bestehe das nachsynodale Schreiben Amoris Laetitia zu große Teilen aus Passagen der Schlussdokumente der Synode: der Papst rezipiert also direkt die Voten der Bischöfe. Nach Ruh wird das Thema Synodalität, wie es von Franziskus nun angestoßen wurde, auch über den gegenwärtigen Papst hinaus weitergehen.


In ihrem Fazit fassten Karl-Heinz Braun und Georg Bier zusammen, dass die Tagung gezeigt habe, dass Synodalität wichtig ist. Synodalität lebt von Diskussionen und von Streit – dazu gehöre auch eine Kultur der Kommunikation und des Gespräches, die nicht so selbstverständlich sei. Letztlich sei aber auch zu fragen, ob es dabei immer um die Festlegung von Wahrheiten gehen muss, oder ob es oft nicht einfach darum gehen kann, wie man in der Kirche gut miteinander zurecht kommen kann.

 

Tagungsprogramm

Text: Christoph Moos; Bilder: Katholische Akademie Freiburg

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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