Forschung
(1) Liturgie und populare Religiosität. Zur Kulturgeschichte des christlichen Gottesdienstes und christlicher Feste
Liturgische Entwicklung hängt eng mit kulturellen und gesellschaftlichen Prozessen, mit Mentalitäten und geistigen Grundhaltungen zusammen. Die liturgiewissenschaftliche Erforschung christlicher Gottesdienste und christlicher Feste kann sich daher nicht allein auf eine Analyse und Kommentierung der liturgischen Texte und Bücher beschränken. Ausgangspunkt ist vielmehr eine theologisch und ästhetisch vielgestaltige Feierkultur in Geschichte und Gegenwart, die es möglichst umfassend zu erschließen gilt und auch Riten popularer Religiosität miteinbezieht. Sie nimmt dabei gleichermaßen die offiziell-kirchlichen, privat-individuellen, öffentlich-gesellschaftlichen und normativen Deutungen und Bedeutungen auf, die einem Ritus oder einem Fest zugeschrieben werden. Neben dem Weihnachtsfest wird ein Schwerpunkt auf die Erforschung des Sonntags und sonntäglicher Liturgie in Glaube, Kultur und Gesellschaft gelegt.
(2) Raum und Sakralität. Die Verortung von Transzendenz in säkularer Gesellschaft
In jüngerer Zeit ist eine gesteigerte Sensibilität für Räume, für Kunst und Ästhetik, für Sprache und Gestus, für Materialität und Symbolik festzustellen. Die Zeit der „Entsakralisierung“, der Betonung des Rationalen und Diskursiven vor dem Mystischen und Symbolischen, ist vorbei; vielmehr lassen sich „resakralisierende“ Tendenzen und ein neues Bewusstsein für Rituale feststellen. Dabei sind Orte, an denen der Mensch Transzendenzerfahrungen macht, nicht mehr exklusiv kirchlich und religiös. So sind beispielsweise an vielen Stellen des öffentlichen Lebens „Räume der Stille“ entstanden, die als interreligiöse Verweisorte auf Transzendenz gedeutet werden können, auch wenn dies nicht zwangsläufig der Fall sein muss. Auch in der zeitgenössischen Kunst, in Musik und Literatur können ästhetische Transzendenzerfahrungen ausgemacht werden. Inwieweit dabei religiöse Referenzen vorhanden sind und welche Rolle der Ästhetik der Liturgie zukommt, wird vor allem an der Bedeutung von Sakralräumen in heutiger Gesellschaft untersucht.
(3) Liturgische Theologie. Grundlagen historisch-systematischer Liturgiewissenschaft
Gegen das Phänomen des Nicht-Mehr-Erinnern-Wollens und gegen die Skepsis über die Wahrhaftigkeit religiöser Überlieferungen steht das Zeugnis einer Liturgie, die in ihren vielfältigen Ausdrucksformen eine weit angereicherte Gedächtniskultur ist. Christliche Liturgie ist wesentlich rituelle Vergegenwärtigung des Heilshandelns Gottes im Hier und Heute. Somit ist der Umgang mit „Zeit“ ein, wenn nicht sogar das wesentliche Thema historisch-systematischer Liturgiewissenschaft. Ein Schwerpunkt liturgiewissenschaftlicher Grundlagenforschung wird daher auf den Prozessen der Konstituierung und Differenzierung christlichen Gottesdienstes in Interaktion zur religiösen und kulturellen Umwelt, speziell zum jüdischen Gottesdienst, gelegt. Ausgehend von der jeweiligen Sprache des Gebets ergibt sich die Erarbeitung einer liturgischen Theologie, die im Gottesdienst des Gottes Israels, des Vaters Jesu Christi, gründet.