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Kirchenrecht…

Nach katholisch-kirchlichem Selbstverständnis hat Christus seine Kirche auf Erden als sichtbares Gefüge errichtet und geordnet. Die mit hierarchischen Organen ausgestattete Gesellschaft und die mit himmlischen Gaben beschenkte geistliche Gemeinschaft, die „sichtbare“ und die „unsichtbare“ Kirche bilden eine einzige komplexe Wirklichkeit, die Kirche Jesu Christi, die nach der Lehre des II. Vatikanischen Konzils verwirklicht ist in der katholischen Kirche. Sie ist kraft göttlicher Anordnung als Glaubensgemeinschaft zugleich Rechtsgemeinschaft. Wie jede andere Vergemeinschaftung von Menschen bedarf sie einer Ordnung, die das Miteinander ihrer Glieder regelt. Das Kirchenrecht legt diese Ordnung fest. Die rechtliche Setzung geschieht dabei nicht willkürlich, sondern ist Ausdruck bestimmter theologischer Entscheidungen und Vorgaben des Gesetzgebers, ist in die Rechtssprache übersetzte, geronnene Theologie, vor allem: geronnene Ekklesiologie.

Kirchliches Recht hat eine dreifache Funktion: es regelt und ordnet das Zusammenleben in der Kirche; es schützt die Gemeinschaft der Gläubigen und ihre Glieder vor Rechtsverletzungen und gewährleistet den Bestand der kirchlichen Ordnung; vor allem aber hat es eine heilsmittlerische Funktion: Es dient dem Heil der Seelen, das in der Kirche immer das oberste Gesetz sein muss, und ist somit Ausdruck konkreter Seelsorge.

… und Kirchenrechtswissenschaft

Die Kirchenrechtswissenschaft befasst sich mit der methodischen Darstellung des Rechts. Ihre Aufgaben sind vielfältig. Sie sammelt und ordnet den Rechtsstoff. Bezogen auf konkrete Einzelfragen stellt sie die maßgeblichen Quellen zusammen, bestimmt deren rechtlichen Charakter und ermittelt deren Verbindlichkeit. Eine zentrale Aufgabe ist die Auslegung des Gesetzes, das heißt das richtige, sachgerechte Erfassen des normativen Gehalts rechtlicher Bestimmungen unter Zuhilfenahme vorgegebener Interpretationsregeln. Mit der zutreffenden Auslegung der Normen schafft die Kirchenrechtswissenschaft die Voraussetzung für die angemessene Anwendung des geltenden Rechts im kirchlichen Alltag. Funktionsträger in kirchlicher Verwaltung oder Gerichtsbarkeit müssen die kirchenrechtliche Methodik kennen und beherrschen. Schließlich arbeitet die Kirchenrechtswissenschaft auch an der Rechtsschöpfung mit: Rechtsanwendung und wissenschaftliche Diskussion zeigen etwaige Spannungen, Widersprüche oder Lücken in der Gesetzgebung auf und tragen dadurch bei zur Neuformulierung einzelner Normen oder zur Überarbeitung ganzer Rechtsmaterien.

Die Beschäftigung mit der kirchlichen Rechtsgeschichte ist ein eigenes kirchenrechtswissenschaftliches Forschungsgebiet. Untersucht wird die kanonistische Tradition in ihrer Bedeutung für das geltende Recht, erforscht werden rechtshistorische Zusammenhänge und die grundlegenden Einsichten, die sich daraus für das kirchliche Recht ergeben.

Als theologische Disziplin fragt die Kirchenrechtswissenschaft nach den theologischen und rechtsgeschichtlichen Grundlagen kirchlicher Rechtssetzung und setzt sich kritisch auseinander mit der Umsetzung theologischer Einsichten und Aussagen in eine rechtliche Sprache. Dazu werden die Entwürfe, Erkenntnisse und Ergebnisse der übrigen theologischen Fächer einbezogen. Als rechtswissenschaftliche Disziplin bedient sich die Kirchenrechtswissenschaft (auch) der juristischen Methode.

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