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Erasmus-Oper "The Folly"

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Premiere von "The Folly": Samstag, 21. Mai, 19.30 Uhr, Theater Freiburg, Großes Haus. Weitere Aufführungen bis 22. Juli.

Was
  • Künstlerische Vorstellung
Wann 21.05.2022
von 19:30 bis 22:00
Wo Theater Freiburg
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The Folly

Uraufführung // Fabrice Bollon // Clemens Bechtel // mehrsprachig mit deutschen Übertiteln // Großes Haus

Die Torheit – die titelgebende Folly – lobt sich selbst als Ursprung allen Lebens. Nur wer Dummes tut, bringt die Welt voran, dies ist täglich zu sehen unter den Intellektuellen, in der Politik und vor allem in der Kirche. Auch katholische Mönche kritisieren die Kirche, denn ein Papst nach dem anderen lebt wie ein Kaiser, lässt den Neubau des Petersdoms durch Ablasshandel finanzieren, führt Eroberungskriege und betreibt Vetternwirtschaft mit Ämtern und Besitztümern. Von Buße und dem Studium der Heiligen Schrift keine Spur. Zwei Männer prangern diese Missstände besonders öffentlichkeitswirksam an: Erasmus von Rotterdam und Martin Luther. Wie positioniert sich der ehrwürdige, bedachte, so oft zu Frieden mahnende Erasmus im Konflikt der Kirche mit dem jüngeren und vor keiner Drastik zurückschreckenden Luther? Erasmus verweigert eine eindeutige Stellungnahme.

Gegner und Förderer Luthers versuchen erfolglos, den geachtetsten aller Humanisten Europas auf ihre Seite zu ziehen. Erasmus will in diesem Schauspiel Beobachter bleiben und fürchtet, was wenig später geschieht. Die Spannungen schüren blutige Gewalt. Die einzige, die Erasmus auf den Boden der Tatsachen zurückholt, ist seine Haushälterin Margarethe Büsslin. Sie tritt ihm mit ihrer Skepsis, dem neuen Medium Buch und dem ganz alltäglichen Leben entgegen.


 Aus der Badischen Zeitung vom 18.05.2022, Seite 10 / Kultur

Zwischen Vernunft und Spaltung - Vor der Premiere: Uraufführung der Oper "The Folly" von Generalmusikdirektor Fabrice Bollon am Theater Freiburg

Von Johannes Adam


Dass wir "alternativlos" seien - diese Behauptung von Kanzlerin Angela Merkel habe ihn, wie er sagt, "geschockt". Denn: "Es gibt nichts, was alternativlos ist in der Welt", entgegnet Fabrice Bollon im BZ-Gespräch nachdrücklich. Freiburgs Generalmusikdirektor hat eine Oper komponiert, seine zweite: "The Folly" (Die Torheit). Jetzt wird das eigentlich fürs Stadtjubiläum gedachte Werk uraufgeführt. "Was erzähle ich von unserer Zeit?" - dies beschäftigte Bollon. Und: "Wie bricht die Gesellschaft in Corona-Zeiten auseinander?" Im Zentrum des zweistündigen Fünfakters steht eine historische Persönlichkeit, die mit Freiburg zu tun hat: Erasmus von Rotterdam.
Der große Humanist stammte aus den Niederlanden, lebte von 1529 bis 1535 in Freiburg und starb 1536 in Basel. Freiburg kommt in seinen Schriften nicht gut weg: So störten den Sensiblen, der immer Angst vor Krankheit hatte, üble Gerüche aus den Bächle. Erasmus war Priester und ein Mann des Geistes. Den Machtmissbrauch und Verweltlichung indes seiner Kirche entfremdet hatten. Wobei Erasmus mit seiner Kritik bedachtsamer auftrat als der hitzköpfige und jüngere Martin Luther.
Fürs Libretto war - wie bei Bollons erster Oper "Oscar und die Dame in Rosa" - Clemens Bechtel zuständig, der auch Regie führt. Mit dem Bollon ein kreatives Streiten verbindet. "Streiten ist gesund", meint der Komponist und betont: "Wir leisten keine philologische Arbeit." Beratend involviert war der Freiburger Kirchenhistoriker Karl-Heinz Braun. Obwohl "zwischen 80 und 90 Prozent" der Texte aus historischen Quellen stammten, sei die Novität keine Historienoper. Deren Thema der Komponist so umreißt: "Was passiert mit einem Menschen, der vernünftig bleiben will, in einer Zeit, in der sich die Gesellschaft spaltet?" Moralisieren aber wolle man jedenfalls nicht.
Weder Luther noch Erasmus hätten damals die Kirchenspaltung gewollt. "Die Schweizer Reformatoren brachten die Spaltung", sagt Bollon. Calvin und Zwingli waren fanatischer. Erasmus habe in Basel die Aggressivität der Protestanten nicht mehr ertragen und der Stadt daher den Rücken gekehrt. Von dort brachte er sich seine Haushälterin Margarethe Büsslin mit, die er kurzerhand "ein Monstrum" nannte - wohl, weil die resolute Baslerin ihm gelegentlich die Leviten las und den Kopfmenschen auf den Boden der Tatsachen zurückholte. In "The Folly" geschieht das in einer Mixtur aus Hochdeutsch und Schweizerdeutsch. Wie Mehrsprachigkeit denn überhaupt für Erasmus konstitutiv und das übertitelte Werk daher polyglott ist. Ein Streitgespräch zwischen Luther und Erasmus, das es realiter so nie gegeben hat, findet in der Oper auf Deutsch statt. Allein Erasmus kann Luther Paroli bieten.
Stefan Zweigs Buch "Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam" habe er gelesen, erklärt der Franzose Bollon ("Ich bin überzeugter Europäer") zur Frage, wie er denn zu seinem Protagonisten gefunden hat. Von dem er gern gewusst hätte, warum er, obwohl eingeladen, nicht zum Reichstag nach Worms gereist sei. Da hätte Erasmus ("Er war schon ein bisschen feige") etwas für Europa tun können, meint Bollon, der sich selbst als Agnostiker bezeichnet. Erasmus sei "ein überzeugter Pazifist" gewesen. In der Oper liest er aus seinem Buch "Die Klage des Friedens", das am Ende verbrannt wird. Klar ist: Die Gesellschaft will die Spaltung, Erasmus den Frieden. Zwei Erasmus-Bücher sind in "The Folly" einbezogen - darunter die Satire "Lob der Torheit".
Für komplexe Musik konnte sich Erasmus nicht erwärmen. "Ich will eine Musik machen, die gerne überzeichnet", sagt der 1965 in Paris geborene Bollon. Eine Musik, die auch Ironie einschließt. Das klangliche Spektrum umfasst die Zeit von Perotins Notre-Dame-Epoche bis zum Jazz, mithin von 1200 bis heute. Das 18. und 19. Jahrhundert bleiben ausgeklammert. "Wir haben eine unglaublich reiche musikalische Zeit heute", resümiert Bollon, der Stilvielfalt mag, kaum aber den Begriff Polystilistik. Der Komponist soll diesen Reichtum in seinem Werk reflektieren, fordert Bollon. Wobei eine einheitliche Musiksprache zu kreieren sei, kein heterogenes Stückwerk. Neben dem herkömmlichen Orchester-Instrumentarium kommen Keyboard, Drumset, E-Geige und E-Cello zum Einsatz.
Gregorianischer Choral und Klänge des von Luther geschätzten Josquin Desprez sind zu hören. Aber auch Zwölftönigkeit - hier als Karikatur. Dazu, als Mischung aus Vorgabe und Freiheit, eine "sehr kalkulierte Aleatorik". Den Sängern habe er viel zugemutet, meint Bollon. Der Vokalisten und das Philharmonische Orchester schon vorab sehr lobt. Apropos Sänger: Ulrich von Hutten erscheint als Hosenrolle und wird von einem Mezzosopran gesungen - "als Archetyp eines noch nicht reifen Idealisten".
Ein Kompositionsstudium im eigentlichen Sinn hat Bollon nicht absolviert. Bei ihm ist es fast wie einst bei Gustav Mahler, der auch mehr übers Dirigieren zur eigenen Musik fand. Was Bollon, der im Herbst von Freiburg nach Halle wechselt, nicht verschweigt: "Wenn ich meine Musik zum ersten Mal selbst dirigiere, ist es für mich sehr schwer." Das ändere sich zum Glück bald: "Später wird's leichter." Und die Aufgabe delegieren? Das möchte er auch nicht. Bollon dirigiert daher jetzt die Uraufführung seiner Erasmus-Oper "The Folly". Es inszeniert der Librettist Clemens Bechtel. Auf das Resultat darf man gespannt sein. Zumal der Komponist noch nie so viel gewagt zu haben glaubt wie diesmal.

Premiere von "The Folly": Samstag, 21. Mai, 19.30 Uhr, Theater Freiburg, Großes Haus. Weitere Aufführungen bis 22. Juli.

www.theater.freiburg.de

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